Wir Fragilen

Es gibt Menschen wie mich. Irgendwo da draußen. Ich kenne ihre Namen nicht, ich kann sie nicht sehen, und sie melden sich auch nicht bei mir, aber ich weiß, dass es sie gibt. Dies zu wissen, beruhigt mich, versöhnt mich, tröstet mich. Auch wenn es praktisch folgenlos bleibt, denn es ändert weder etwas an den herrschenden Zuständen, noch an meinem Gesundheits- oder Kontozustand. Und doch: Zu wissen, dass es euch gibt, beruhigt mich. Ich bin nicht allein aus der Art geschlagen, es gibt andere wie mich. Irgendwo.

Dass wir einander nicht kennen, liegt in der Sache selbst, in unserer Natur. Was uns verbindet und zugleich die Begegnung verhindert, ist Fragilität. Was uns im Herzen verbindet und deshalb im Raum trennt, ist ein schwaches Nervenkostüm, ein empfindliches Herz.

Wir sind so vielem nicht gewachsen.

Durchaus: Sanftheit! Freundlichkeit! Umarmungen! Scherzen! Satire, Ironie und tieferer Bedeutung! Wohl aber auch jedem respektvollen Austausch von Urteilen und Ansichten, die Möglichkeit des eigenen Irrtums immer im Blickwinkel. Nicht aber gewachsen sind wir dem Lärm, der Dummheit, der Grobheit des Vortrages wie der Geste, der 99 von 100 unserer Gegenüber ganz selbstverständlich ist und sie nicht im Mindesten berührt. Uns geht es anders. Unsere Antennen sind fein, nicht stabil. Bei Windstärken ab 3 brechen die einfach ab.

Windstärken 4 bis 12 herrschen allerdings fast überall. Nicht nur unter den meisten, den Lauten, Groben, die sich ganz vortrefflich finden und einander erst recht, allerorten, unter dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner. Aber nicht nur unter den allgegenwärtigen Schlachtern, dumpfen Vorstoppern und Vollkaskofrauen mit schweren Knochen sind wir erschüttert deplatziert. Uns wirft schon der nur an sich selbst dichtende Jüngling aus der Bahn, umso mehr die Achtsamkeit predigende Beamtin in Teilzeit, die achtsam und liebevoll allein sich selbst im Blick hat (denn erst muss sie ja ganz zu sich kommen und sich mit ihrem inneren Kind versöhnen, ehe sie verantwortungsvoll den Blick auch auf andere richten wird können).

Wir sind so leicht zu erschüttern.

Das Laute wirft uns aus der Bahn. Das Dumpfe wirft uns aus der Bahn. Das Aktivaggressive wie das passive. Das Primitive. Das Achtlose. Das Dämliche. Das Plappernde. Das Egozentrische. Das Luxusjammern, das Lästern, das Wehleiden an Nichts. Das Lethargische. Das Schweigende.

Wir sind so allumfassend instabil.

Wir wissen nicht erst seit gestern, sondern seit unserem ersten Tag im Kindergarten, dass alles uns Selbstverständliche ganz und gar exotisch ist und ganz und gar nicht kompatibel mit 99 von 100 unserer Mitkinder und späteren -menschen. Wir sehen sie, sie uns nicht. Wir sind leise, sie nicht. Wir denken nach, sie nicht. Wir zweifeln, zuerst an uns selbst, sie nicht, und wenn, an sich selbst zuletzt. Wir wollen teilen, in Frieden sein, trösten und getröstet werden, sie nicht. Wir haben für alles Lebende eine Schwäche, sie nicht. Sie haben Stärken.

Wir kennen einander nicht. Natürlich finden wir nicht zueinander. Natürlich gehen wir nicht füreinander auf die Barrikaden. Natürlich verteidigen wir nicht mit flammenden Reden und in die Öffentlichkeit gehaltenen Gesichtern den einen, die eine von uns, die ihre Stimme erhebt für den Menschen, die sich hinausgewagt hat ins Feuer des Gewöhnlichen, des Groben, in die alles vernichtende Gemeinheit der Allgemeinheit. Wir fühlen mit, o ja, aus tiefstem Herzen. Wir senden gute Gedanken durchs fünfte Element, und ob! Und schweigen. Es nimmt uns alles so sehr mit.

Es ist uns nicht gegeben, zusammenzustehen.

Ich werde euch nie kennenlernen, nie sehen, nie hören. Aber ich bin nicht allein. Nicht nur auf meinem Dach liegt ab Windstärke 3 eine geknickte Antenne. Ihr seid da. Am Lauf der Dinge ändert das nichts. In mir alles. Zu wissen, auf allen Wegen durch Leben und Menge, dass ihr da seid, irgendwo, allerorten, unauffällig bis zur Unsichtbarkeit, still, leise und von edlem Gemüt, am Rande gehend, still unter all den Groben und Gemeinen.

Wir sind so ganz und gar nicht gerüstet.

Gut zu wissen.

Ich bin bereichert, versöhnt und beruhigt, weil es euch gibt.

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31 Antworten zu Wir Fragilen

  1. Ruth sagt:

    ach ja, auch ich kenne viel zu wenige dieser Art… und wenn es auch guttut zu wissen, das es Gleichartige gibt, wäre es mir lieb, viele von ihnen zu kennen, oder wenigstens von ihnen zu wissen… na ja, so sind wir zumindest schon mal 2… da ich bisher zu schüchtern war, dich dirket anzuschreiben habe ich halt deine Bücher gekauft und trage ein Schärflein zu B&B bei, aber lieber wäre mir eine Gleichgesinnten-WG im neuen Land SH… Es ist viel Arbeit für die Stillen, sich zu zeigen und zu vernetzen. Und dabei wäre es soooo wichtig, parallel zur Selbstheilung, die ja ewig dauern kann… Aber gerade du machst mir immer wieder Mut. Das tut so gut! Danke Sven, Ruth

  2. Chris sagt:

    Lieber Sven,
    danke, dass Du das so berührend beschrieben hast – auch mir bedeutet es „alles“, unverbunden verbunden zu sein mit Euch … auch wenn ich mir einen Panzer umgelegt habe, der mich wie eine Starke aussehen lässt …
    Was für ein Satz:
    „Wir haben für alles Lebende eine Schwäche, sie nicht. Sie haben Stärken.“
    Es ist die Schwäche der wahren Mutter vor König Salomon …
    Es ist die Situation, in der der Panzer auch mich nicht mehr schützen wird …
    … und nur das Bekenntnis zu dieser Schwäche nicht den Leib, aber die lebendige Seele retten wird …

    • Katja sagt:

      Ich habe noch nie etwas gelesen, was meinem Inneren so sehr entspricht wie dieser Text.
      Danke lieber Sven!
      Jetzt fühl ich mich auch beruhigt, gestärkt und getröstet. Es ist die Wahrheit die mich so sehr berührt in deinen Zeilen, die ich selbst niemals in Worte hätte fassen können.
      Und ich empfinde es als Wunder durch deinen Text von anderen “ Fragilen“ zu erfahren… Ich bin gerade unfassbar dankbar

    • Katharina sagt:

      Danke herzlich, Chris, für die schöne Entgegnung, der ich mich gerne anschließe, & danke herzlich, Sven, für deinen wunderbaren Text, der die Fragilen zusammenfügt.
      Katharina

  3. Alexander sagt:

    Lieber Sven – ich erlaube mir diese vertraute Anrede, denn es fühlt sich so an, als wärst du Teil (m)einer Familie…nicht nur durch deine allsonntägliche Präsenz an unserem Frühstückstisch,I
    dein Text berührt mich sehr, er spricht mir aus der Seele (was immer das sein mag)! Da ist ein Gefühl offenbart, das ich auch in mir erkenne. Es ist eine Melange aus Fassunglosigkeit, Verletzlichkeit, Hoffnung und wütender Trauer – „Love, Devotion, Surrender“ ist der Titel eines wunderbaren Albums von John McLaughlin…In diesem Titel ist vereint, was nötig ist, diese verrückten Zeiten zu überstehen. Manchmal ist mir nach „aufgeben“, dann bringt mich eure (B&B) Ironie wider auf ein Niveau des lächelnden Standhaltens. Vielen Dank dafür, für diesen wunderschönen Text und für das durch ihn vermittelten Gefühls, dass „da draussen“ wahre MITmenschen sind. Mit meinen bescheidenen Mittel werde ich euch weiter unterstützen. Herzliche Grüße Alexander

  4. Manuela sagt:

    Lieber Sven,
    du bist nicht allein!!!
    Herzliche Grüße von einer fragilen Sächsin und danke für dein Sein und Wirken.

  5. Astrid sagt:

    Lieber Sven, ich möchte mich den Kommentaren von ganzem Herzen anschließen. Was für ein Glück, auf dieser Welt solche Menschen, wie du es bist, an seiner Seite zu wissen. Du und Deine Worte sind so vertraut und liebenswert, dass man sich in diese Zuneigung fallen lassen möchte. Danke, dass es dich gibt. Du und deine Worte, wie auch deine Empathie sind ein Zeichen der Hoffnung und Zuversicht. Wir geben sie gerne und immer wieder zurück.

  6. Christian sagt:

    Lieber Sven,
    herzlichen Dank für deinen Text. Er kam zur rechten Zeit. So habe ich es auch immer wahrgenommen: Seit dem ersten Kindergartentag wurde es mir sehr schmerzlich bewusst, dass ich nicht empfinde wie die anderen, dass sie nicht sehen, was ich sehe. Nun bin ich Vater von 3 Kindern, werde diesen Monat noch Opa und habe meine Fassungslosigkeit und Verletzlichkeit hinter Arbeit und „Erfolg“ versucht zu verbergen. Die vergangenen 3 Jahre haben mich dazu gebracht auf einen anderen Kontinent zu gehen und ich empfinde das als notwendig um meine Kinder, meine Frau und mich zu schützen. Diese Sicherheit reicht aber für ein erfüllendes Leben natürlich nicht aus. Ich möchte von Kunst, Gestaltung und beispielsweise deinen Texten berührt und angeregt werden. Dafür ist Austausch und ein Miteinander wichtig. Ich habe den Verdacht, dass mir das Wissen, das es euch gibt auf Dauer nicht reicht und ich eine echte Gemeinschaft brauche.
    In den vergangenen 30 Jahren habe ich tonnenweise tolle nachhaltige Ökoholzhäuser gebaut und bin daher viel mit ambitionierten Ökodörflern in Kontakt gekommen. Nicht ein einziges Mal hat der Stuss, den sich eine solche Gemeinschaft ausgedacht hat und an 100-seitigen Satzungen gegeben hat, funktioniert. Leider denke ich daher auch immer noch an Lösungen rum und bin gefühlt Lichtjahre von einer Lösung entfernt.
    Beim schreiben dieser kurzen Zeilen beschleicht mich das Gefühl, dass du Herr Böttcher, doch richtig liege könntest. Vielleicht ist das Gefühl und das Wissen darum, dass es euch da draußen gibt, schon sehr viel.

    Herzlichen Dank lieber Sven und liebe Grüße aus Paraguay

  7. Martina sagt:

    Lieber Sven,
    ich habe mich gerade wiedergefunden in deinem Text, er spricht mir aus der Seele. Ja, ich weiß auch, dass es solche „Fragilen“ da draußen gibt. Und ja, auch ich wünschte mir, dass ich viele solche Menschen in meinem Freundeskreis oder Familienkreis hätte. Leider sind es nur wenige. Ich frag mich täglich, warum bin ich anders, warum stört mich so vieles, was andere gar nicht sehen oder wahrnehmen. Meine Hoffnung, gar Erwartung, dass die Zeit alle irgendwann einholt, hat sich still und leise davon gemacht. Ich finde mich damit ab und freue mich, solche Texte zu lesen. Es tut gut. DANKE.

  8. Peter sagt:

    Mit kommen die Tränen bei Deinen Zeilen.
    Seit langem versuche ich ebendies in Worte zu fassen.
    Mit fällt vor allem das Laute, Grobe um mich herum auf.
    Diese Selbstverständlichkeit meiner Mitmenschen mir ungefragt ihre Meinung vor die Füße zu kotzen.
    Ich werde dann immer stiller….
    Herzliche Grüße

  9. Marita sagt:

    Jedes Deiner Worte, genauso gefühlt, gedacht.
    Hab‘ Dank.

  10. Patrick sagt:

    Wirklich beeindruckende Worte. Auch wenn es nicht so scheint: in ihnen schlummert eine grosse Kraft und Stärke. Zu wissen, was man auf keinen Fall will und mittragen möchte ist heute schon ein deutlicher Nachweis von Charakter. Unsere Schwäche ist unsere Stärke. Sven Böttcher ist der lebende Beweis.

  11. Marina sagt:

    Ja, es gibt euch und es ist tröstlich. Aber lasst uns aus dem Schatten ins Licht treten.
    Wir haben die Kraft dazu.
    Wo seid ihr?

  12. Jens sagt:

    Hallo Sven,
    danke für deinen Text und dein Wirken insgesamt. Bei Vielem was du schreibst und sagst kann ich mich wiederfinden. Ich bin inzwischen als Jahrgang 1969 mit einer 9-jährigen Tochter und Frau im isolierten Wahnsinn der gesellschaftlichen Verwerfungen lebend auch im Zustand der Fassungslosigkeit und auch ein wenig Resignation.
    Natürlich geht es mir wahrscheinlich so ähnlich wie Vielen deiner Leser. Zwar ist man schon immer nicht mit dem Strom der Massen mitgeschommen, aber es war halt möglich sich immer wieder mit der Gesellschaft und Freunden und Bekannten zu arrangieren. Aber inzwischen ist es ja so, dass es kaum noch irgendein Thema gibt, welches nicht komplett verseucht ist, so dass man zwanglose Gespräche führen kann.
    In diesem Zusammenhang komm ich immer wieder auf Rainer Mausfeld zurück, der den Begriff „Illusion der Informiertheit“ geprägt hat. Die meisten Menschen um mich herum, schauen die Tagesschau oder das Heute Journal, lesen ihre Tageszeitung und dann vielleicht noch ein überregionales Blatt a la Spiegel, SZ, Zeit etc. und glauben eben so, komplett und umfassend informiert zu sein. Dass dort überall das Gleiche steht, fassen sie nicht als kritisch, sondern als Bestätigung ihrer der „Wahrheit“ auf. Wie will und kann man mit solchen Leuten noch einen normalen Dialog führen. Man kann ja auch nicht immer erklären wie Suchmaschinen arbeiten, wie Wikipedia in politischen und gesellschaftlichen relevanten Themen funktioniert etc. pp.
    Und so wird der alte Freundeskreis immer mehr zur eigenen Illusion und neue interessante Menschen lassen ich im Alltag schwer finden. Umso wichtiger sind solche Formate wie du die u.a betreibst oder es mit den Nachdenkseiten, Multipolar Magazin, Das dritte Jahrtausend, Henning Rosenbusch etc gibt, wenngleich es auch eine Einbahnstraßenkommunikation ist. Aber ein wenig hilft es eben sich in der immer mehr irrer werdenden Welt nicht ganz „lost“ zu fühlen.
    Somit von mir einen lieben Gruß aus dem Norden!
    Jens

  13. Cornelia sagt:

    Was für ein wundervoller Text lieber Sven. Danke. Mir scheinen längst alle meine Antennen geknickt. Aber ich werde versuchen, sie wieder aufzurichten. Im Vertrauen darauf, dass es viele von uns Fragilen gibt. Da draußen. Überall. Der Gedanke ist wirklich tröstlich. Und stärkend.

  14. Jens sagt:

    Lieber Sven, dies ist das erste Mal, dass ich mich aus meiner Deckung heraus wage und mich öffentlich zu einem Themenkomplex äußere, der insbesondere die zweite Hälfte des Wortes verdient. In dieser komplizierten (und doch so einfach überschaubaren) Komplexität der „neuen“ Wirklichkeit empfinde ich es als verdientes Glück, auf einen Text wie Deinen gestoßen zu sein. Er vermittelt mir die Bestätigung, es zumindest nicht verkehrt gemacht zu haben, vor zehn Jahren nach Irland ausgewandert zu sein. Wie Du weißt, löst das Verschieben der physikalischen Masse Mensch nicht das Problem, das Du beschreibst und des öfteren bei B&B anklingen lässt. Nicht allein, dass meine fünfzig Jahre Deutschland sich nicht einfach ignorieren oder vergessen lassen (denn Augen und Ohren und die uns Fragilen noch wichtigeren anderen Sinne können wir nicht verschließen). Es gibt ja dort doch noch Menschen, die einem am Herzen liegen, um nicht zu sagen: Den Einen oder die Andere möchte ich nicht im Sog dieses unfasslichen Mahlstroms untergehen sehen. Doch wie nah kann ich Sensibelchen diesem Sog und den die Apokalypse Herbeisehnenden kommen, ohne selbst seelischen Schaden zu erleiden? – Doch, Hand auf’s Herz, wenn wir mit dem entsprechenden Rüstzeug aufbrechen, werden wir nicht einfach nur gestärkt überleben, ohne verroht zu werden. Wir werden auf dem weiteren Weg Menschen verloren haben, die wir bereits vor Äonen nicht „besessen“ haben, es wird – wie es so verklärend heißt – Kollataralschäden geben; deutlicher: Gefangene, Verzweifelte, Ge- und Zerbrochene, Tote. Ob wir den Verlust einer Heimat beklagen werden, möchte ich fast bezweifeln. Zumindest meine Heimat ist nicht geografisch zu fassen. Und es ist in dieser Welt ja nicht lediglich Deutschland, dass diesem hypnotischen Zustand ausgeliefert ist. Und selbst dort gibt es Inseln… ich will nicht behaupten: der Glückseligkeit (siehe Kommentar von Christian), jedoch Inseln der Möglichkeiten. Ich habe das Glück, auf so einer Insel (ich meine nicht Irland an sich) gelandet zu sein. Einer Insel, auf der sich eine ausreichende Menge von fragilen sensitiven und leisen Seelen befindet, die sich dessen und ihrer „Macht“ bewußt sind; natürlich nimmt das Laute, Rohe, Gewaltige manchmal einen scheinbar unermesslichen Raum ein. Doch bereits früh merken wir Anderen, dass es wieder einmal viel Gewese um Nichts ist…
    Nun reise ich für einen Monat nach Deutschland. Ich fürchte mich ein wenig vor mir selbst. Wie werde ich es ertragen können, zu dem zu schweigen, was – sollte es mir begegnen – offensichtlich benannt, hinterfragt, kritisiert werden sollte? Oder werde ich ausnahmsweise doch einmal aus der Rolle fallen und damit meiner jeweiligen Umwelt und dadurch nicht zuletzt mir selbst seelische Pein bereiten? – Nun, zumindest im Kontakt mit meinem Bruder werde ich leiden, so oder so. Warum ich ihn dann besuche, wenn er doch offensichtlich einer derjenigen ist, die bereits im Wirbel des Stroms erfasst sind? – Hoffnung!

  15. Felix sagt:

    Lieber Sven,

    wieder einmal, und bei Leibe nicht zum ersten Mal, ein ergreifender, kristallklar präzise formulierter und obendrein ästhetischer Text. Ich gehöre nicht zu der Gruppe von Menschen, die Du so poetisch dem ebenso trefflich geschilderten Gegenstück in unserer Gesellschaft gegenüber stellst. Trotzdem sind meine Antennen soweit in Takt, dass ich begreife, dass man sich feinfühligen Menschen wie Dir behutsam, eher vorsichtig, in jedem Fall einfühlsam annähern muss. Ich hoffe und wünsche mir, dass mir das gelungen ist.
    Allen Euch sensiblen und verletzlichen gilt meine große Sympathie. Und weil ich eben auch so bin, wie ich bin, kann ich es nicht lassen, meinen – wohlgemeinten – Senf dazu zu geben: Ein schöner, tröstender und auch häufig aufrichtender Weg ist die Musik. Sucht Euch einen Komponisten, der aus der selben sensiblen und verletzlichen Ecke kommt, er ist oder war nämlich genauso einsam wie Ihr, kann – konnte -aber seine Trostlosigkeit in musische Schwingungen übertragen und so sich den Gleichgesinnten – wie Ihnen – auf wundervolle Weise mitteilen. Schubert ist ein Paradebeispiel, Chopin, auch der späte Beethoven. Sogar dem lebenslustigen Mozart ist ein echtes highlight für Euch gelungen: Das Requiem. Ständig hin und her pendelnd zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Und Bach tröstet wirklich, das kann ich Euch sagen.
    Wir sollten alle gemeinsam die Augen offen halten: Die Verletzlichen sollten die Groben meiden so gut es geht, aber trotzdem die Hoffnung nicht verlieren. Das bedeutet: Sucht behutsam aber zielstrebig nach Mitmenschen, die ticken wie Ihr und solchen, die Euch einfach gut tun. Und an diejenigen, deren Antennen nicht so ganz leicht brechen, meine Bitte: Sucht die Sensiblen, Zerbrechlichen, behutsam und ein bisschen vorsichtig und umarmt sie einfach – auch vorsichtig.
    Lieber Sven, Dir wünsche ich die Kraft, weiter solche wunderschönen Texte zu verfassen. Denn: Wärest Du ein Fussballer, wärest Du nur mit Pele zu vergleichen, als Musiker mit dem späten Schubert. Aber vielleicht könnte ich dazu beitragen, Dich ein bisschen Richtung Johann Strauss zu bewegen, es muss ja nicht gleich der Radetzky-Marsch sein.

    Liebe Grüße
    Felix

  16. Marianne sagt:

    Meine Güte Sven, gestern Abend wollte ich schreiben, dann dachte ich, :sacken lassen.Im Alter wird man immer besser, oder? Du hast einen, wie ich finde sehr emotionalen Text geschrieben, und ich glaub das musste jetzt auch raus. Ich bin auch eine von den „Dankbaren“ die Deine Bücher kauft & B&B abboniert hat wenn ich meine Dankbarkeit auch nicht immer monitär so zeigen kann (kleine EU Rente, Krebs etc.) Aber ab und an geht’s. Ich würde mich freuen wenn Du und Matthias Euer Format weiter machen könnt. Ich wollte auch fliehen, es war mein erster Impuls, aber wir sind ne Menge „Fragile“ und nicht alle sind so fragil.Gandhi sagte, „wenn Du an Deine Stärke glaubst, dann wirst Du jeden Tag stärker. Ich seh mich als einen alten knorrigen Küstenbaum, aber ich stehe noch und ich stehe jedem der hier schreibt bei.. Lieber Sven und Ihr alle, es ist ein wahrlich guter und auch trauriger Text, der für uns so viel Wahrheit birgt. Bleibt in der Zuversicht.

  17. Sandra sagt:

    Lieber Sven,
    Danke für diese poetischen und wahrhaftigen Worte. Ich fühle mich durch sie gesehen und verstanden.
    Immer wieder versuche ich, Trost in dem Wissen zu finden, nicht alleine zu sein (ich bin es ja auch ganz real nicht – da sind doch einige Mitstreiter und Begleiter in meinem Leben, die ich sehr schätze), doch gelingt es nur selten. B&B ist mir jedesmal ein Vergnügen und auch Trost & ich bin regelmäßig traurig, wenn die Stunde vorbei und Ihr wieder „verschwunden“ seid. Und dennoch seid nicht zuletzt auch Ihr es, die mich immer wieder ermutigen, weiterzumachen, nicht aufzugeben.
    Herzlichen Dank!
    Viele Grüße aus dem schönen Dresden!

  18. Cornelia H. sagt:

    Lieber Sven,
    deinen tief berührenden Text habe ich eben meinem Mann vorgelesen und er sagte spontan- Sven hat dich sehr gut beschrieben Cony. Ja, auch ich bin genauso, allerdings kommt in den letzten Monaten immer öfter ein schönes neues Gefühl dazu, ich bin stolz „so“ zu sein. Es war und ist ungerecht, hart, verletzend…….und dazu diese wahnsinnige Angst um geliebte Menschen, die blind alles befolgt haben, von denen einige die Folgen jetzt bitter spüren. Dankbarkeit für einige neue wertvolle Freunde, die wir sonst wohl nie kennengelernt hätten und natürlich bb talk, ihr habt uns so viel gegeben. Du bist nicht alleine Sven. Liebe Grüße Cony

  19. Astrid P. sagt:

    Danke Danke Danke!

    Sven Böttcher, ich fühle mich mit Denen Texten, Erzählungen, Büchern und B&B behütet, getröstet und verbunden.

    Es grüßt alle Mitverbundene,
    Astrid P. aus P. ( gibt ja noch ebene andere Astrid hier 😌)

  20. Mareen sagt:

    Lieber Sven,
    so wunderbare Worte und wie Du siehst, sprichst Du vielen aus dem Herzen; mir ebenso… wie auch mit Deinen /Euren Worten beim B & B Podcast. Ich fühle oft so viel und kann es nicht in Worte fassen. Es ist mir schon oft so gegangen, dass ich Euren Podcast höre und denke “ genau das ist es, das wollte ich sagen“.
    Und jetzt dieser Text. Reicht es wirklich, zu wissen, es gibt Viele da draußen, die so denken und fühlen? Ja, es tröstet.. aber reichen tut es mir nicht. Ich würde sie gern kennenlernen, diese Menschen, so ganz in echt. Aber ich bin dankbar. 2 Frauen, unter den vielen hundert Menschen, die ich in den letzten 3 Jahren neu kennengelernt habe, sind ebenso sensibel, wie ich. Verbinden wir uns gedanklich, all ihr wunderbaren, feinfühligen Wesen da draußen.
    Alles Liebe
    Mareen

  21. Ben sagt:

    Lieber Sven,

    danke, dass Du formuliert hast, was für mich unsagbar war. Danke, dass Du Dich der Öffentlichkeit aussetzt, aus der sich die meisten von uns zurückgezogen haben. Danke für Deinen Mut!

    Sich fremd zu fühlen ein Leben lang, nicht zugehörig zur Masse und eine Identität abseits derer suchen zu müssen, die zufrieden sind mit einem schlichten Weltbild, einem stumpfen Nervenkostüm und der Gewissheit, immer die Guten zu sein, das hat schon eine Zeit in Anspruch genommen. Mittlerweile verzweifle ich nur noch an der Welt aber nicht mehr an meinem Anderssein. Ich bin dankbar, nicht dazuzugehören und ich weiß zwar, dass ich damit nicht allein bin aber ich weiß auch, dass das nichts verändert – weder bei uns noch bei denen, die sich ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit immer sicher sein können und deren Gegröle uns immer übertönen wird, egal wie sehr wir uns anstrengen.

    Ich habe weder die Erwartung noch die Hoffnung, dass wir Menschen am Rande das große Ganze jemals grundlegend verändern werden. Unser genauer Blick auf die Dinge ist nie mehr als eine allenfalls lästige Randnotiz. Unsere leise Stimme geht unter in all dem Geschrei. Unseren Ideen fehlt es an allem, was sich im großen Stil gewinnbringend vermarkten ließe und unsere Empfindsamkeit ist dort draußen nichts als Schwäche.

    Wir sind die Merkwürdigen, die Schwierigen, die Zweifler und die Andersdenkenden. Wir machen alles kompliziert obwohl es doch so einfach ist. Und deshalb hört man uns nicht und man will uns nicht sehen. Wir sind nicht einmal Sand im Getriebe des Unaufhaltsamen. Wir sind einfach nur da und unsere Existenz beweist, dass es anders gehen könnte, wenn die Menschen anders wären. Aber das sind sie nicht.

    Und so bleiben wir traurige Beobachter des Wahnsinns, der sich um uns herum ausbreitet, erschütterte Chronisten des Untergangs, dem sich niemand wird entziehen können – besonders wir nicht. Wir mögen hinschauen und versuchen zu verstehen. Wir können hoffen nicht zu verzweifeln und langsam zugrunde zu gehen. Vielleicht bemühen wir uns, das Getöse um uns in unserem Innern auszubalancieren – mit Liebe, Schönheit, Genuss und Humor.

    Aber wir leben und sterben immer unvollendet – in dem Gefühl, dass alles so viel reicher, friedlicher, humorvoller, leichter und schöner sein könnte, wenn die anderen nur aus ihrer Haut könnten… und wir aus unserer.

  22. Beate sagt:

    Lieber Sven,
    völlig unvorbereitet hat mich Ihr Text mitten ins Herz getroffen und die Tränen, die er heraufbefördert hat, wollen nicht versiegen. Wie berührend, tiefgreifend und klar Sie geschrieben haben! Ohne überheblich erscheinen zu wollen, wage ich doch zu sagen: besser hätte ich es (für mich) nicht formulieren können. Ich stimme Ihnen in Vielem zu, aber im Gegensatz zu Ihnen reicht es mir nicht, zu wissen, dass es da draußen noch andere von meiner Art gibt. Ich fühle mich allein, um nicht zu sagen isoliert – vor allem nach den letzten 3 Jahren -, aber auch eingeschüchtert und entmenschlicht. Ich frage mich, ob es mir in meinem Leben noch einmal vergönnt sein wird, auf Menschen zu treffen, vor denen ich mich nicht verstellen muss und mit denen ich offen sprechen kann. Aber ich weiß, daraus kann ja nichts werden, wenn wir uns alle nicht aus der Deckung wagen.
    Ich danke allen für die sehr persönlichen, warmherzigen und wohltuenden Kommentare und Ihnen, lieber Sven, für dieses Geschenk!
    Als treue bbtalk-Seherin ist es nun Zeit für eine monetäre Unterstützung.
    Alles Liebe!

  23. Gabi sagt:

    WAS für wundervolle und tiefsinnige Kommentare!
    Kein Blabla wie sonst immer.
    Tja, bei der Vorlage.
    Ich bedanke mich für die Balsamworte.
    Warum sind wir nur 25?
    Sicher, weil die Fragilen eben auch zu sprachlos und zu schüchtern sind, um sich zu äußern.
    Ich fühle mich mit 26 Menschen nun aufs tiefste verbunden und schaue
    auf mein Schwarzes Turmalin- Schutzarmband.
    Viele Grüße aus Brandenburg
    Gabi

  24. Susanne sagt:

    Lieber Sven,
    ich wage mal ein „Du“, auch wenn mir das nicht ganz leicht fällt (ein „Sie“ fühlt sich aber noch unpassende an).
    So ein schöner Text, der mir ganz aus dem Herzen spricht, so poetisch und zu Tränen rührend.
    Mein Lebensgefährte, dem ich den Text gerade vorlas, sagte mir „schau, darum verstehen wir uns so gut“.
    Wir sind glücklicherweise zu zweit, verzweifelnd an dieser Zeit und den vielen lauten Mitmenschen, allein und suchend nach den anderen Stillen.
    Danke für diesen wundervollen und tröstenden Text sowie die wunderbaren Sonntage mit b&b, deinen und Matthias wunderbar feinsinnigen Humor, den nicht jeder versteht, der mir aber hilft, nicht ganz an dieser Weilt zu verzweifeln.
    Ich hoffe dass Ihr weitermachen könnt mit b&b und Du lieber Sven bitte schreib auch weiterhin, wenn Du magst, solche schönen, mutmachenden Worte für die kleine Minderheit der zarten, fragilen stillen Seelen!
    Herzliche Grüße aus Wien
    Susanne

  25. Ingo sagt:

    Das mit deiner gebrochenen Antenne tut mir leid, aber dafür gibts ja Starlink. 😉

    „Wir sind so ganz und gar nicht gerüstet.“

    Und wie wir gerüstet sind, nur halt anders. Statt Hassreden ist unsere Waffe die Ironie, statt laut und hektisch sind wir leise und geduldig, statt in der lauten Menge der Stadt zu baden geniessen wir die ruhige Einsamkeit in der Natur, statt Netflix lesen wir Bücher, statt uns immer ablenken zu müssen halten wir die Langeweile aus …

    Besser als ich das sagen kann sagt das Tessa Lena in ihrem Blog Tessa fights Robots (übersetzt aus dem Englischen) :

    „Auf lange Sicht ist die Gebrochenheit der Menschen nur vorübergehend. Die Menschen befinden sich auf einer Reise, und das Ziel ist immer die Erinnerung an das Ziel der eigenen Seele, die Erinnerung an die Liebe. Niemand ist an sich besser oder schlechter oder wertvoller oder weniger wertvoll, wir sind alle auf einer Reise, bei der es nur um Liebe geht.“

  26. heike sagt:

    lieber Sven,

    3 jahre habe ich mir nicht erlaubt ob des Schocks dieses Wahnsinns, das Herausschneiden alles Schönen und der Erkenntnis, dass das hier REAL ist, zu weinen, aus Angst, genau wie die Tränen auf meinem Gesicht, zu verdunsten.
    ich lese deinen Text und das Wasser läuft mir aus den Augen, verdunstet und ich bin noch da.
    es ist tröstlich, dass es Dank dir, ein UNS, die Fragilen, gibt.
    das fühlt sich bei intensivem sacken-lassen sehr gut an!

    wegen EUCH (B&B) gibt es UNS!

    dennoch wünsche ich mir und denke über Möglichkeiten nach, wie man zusammenkommen kann. Austausch, Kontakt im realen Leben.
    gemeinsam lachen oder weinen, „normale“ Menschen-miteinander-Sachen machen, oder wasauchimmer.
    habe auch schon einiges an gescheiterten oder sagen wir „herausfordernden“ Lebens-Wohnmodellen gesehen, aber das heisst ja nix.
    vlt kann man neue Presets setzten? eine gemeinsame ökologische Nische finden.
    ich weiss es nicht.
    bin ideenoffen.

    ich danke dir, für diesen wunderbaren, poetischen Text!
    er spricht mir aus dem Herzen und beschreibt auch mein erLeben.

    habe B&B zur 3 Sendung gefunden und war so erleichtert und froh, das es Menschen gibt, die die gleiche Sprache sprechen und mit Herz, Verstand und Mut, aber auch Besonnenheit, die Sache angehen und dabei bleiben.
    ihr bringt mich auch immer wieder zum lachen und ich wünsche mir gemeinsam mit Euch oder Anderen am Tisch zu sitzen, rumzulabern und sogar zu „diskutieren“, wie man das früher so gemacht hat. 😉
    danke dir auch dafür!
    ich schreibe hier zum ersten Mal, da mir nach Euren Sendungen meistens nur ein
    „Ja, genau!“ oder „so eine geniale Worterfindung“ oder „ha, Der war gut!“, oder einfach zu viel um es in Worte zu fassen, einfällt.

    Danke auch euch Anderen!
    für die vielen aufrichtigen Kommentare und schönen Texte.
    sie tun gut und machen Mut!
    vielleicht geht ja was, irgendwie..

    alles Liebe

  27. Alma sagt:

    Herzliches Danke für Deine Worte Sven, die mir aus der tiefsten Seele sprechen.
    Gerne hätte ich die Menschen um mich die hier Ihre Kommentare schreiben.
    Danke für B&B die Mutmacher Stunde am Sonntag!
    Alles Liebe und Gute und wir bleiben alle verbunden auf die eine Art des Menschseins

  28. Axel sagt:

    Mein Onkel, der schon vor Jahrzehnten von der Familie das Etikett „seltsamer Eigenbrötler“ verliehen bekam, gab mir 2014 ein Buch in die Hand.
    Beiläufig. Mürrisch. „Da, lies, du bist auch einer.“
    Im Titel ging es um Hypersensible. Den Begriff mag ich bis heute nicht. Aber was drin stand, trifft zu. Ich hatte es mein Leben lang so formuliert: „Ich habe keine Filter.“

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